«Angemessene Arbeitsbedingungen für Chauffeusen und Chauffeure (Chauffeurinitiative)»
(Eidgenösische Volksinitiative)
Die wichtigsten Argumente, ...
Arbeitsbedingungen allgemein
Seit jeher sind die Löhne in Anbetracht der Verantwortung, der Arbeitsstunden, dem Einsatz und den Berufsrisiken nicht angemessen und vergleichbar mit anderen Berufen. Der Verband der Arbeitgeber ASTAG will keinen allgemeinverbindlichen, gesamtschweizerischen Gesamtarbeitsvertrag für die Transportbranche. Der Grund der Ablehnung kommt hauptsächlich aus der Angst vor der Kontrollierbarkeit und der Überzeugung, dass Unternehmer die Löhne selbst bestimmen wollen.
Brexit
Auch Grossbritannien hat während Jahren auf Chauffeure aus Osteuropa gezählt. Mit dem Brexit und der zusätzlichen Pandemie hat dies zu einem Zusammenbruch der Logistik geführt. Tankstellen blieben leer, Läden wurden nicht mehr beliefert und die Industrie ist auch in Lieferschwierigkeiten geraten. Fehlende Chauffeure führen sofort zum Zusammenbruch der Logistik. Der Detailhandel und die Treibstoffversorgung wären am schnellsten beeinträchtigt. Auch andere Branchen mit kurzen Lieferzeiten, hohem Materialbedarf und knappen Lagern würden folgen.
Differenzen in Gewohnheiten, Mentalitäten, Ausbildung und Erfahrung
Je weiter her die Chauffeure rekrutiert werden müssen, umso weniger passen ihre Fähigkeiten zu unseren Bedürfnissen. Neben den Bedürfnissen von Kunden und Transportbetrieben stehen auch die Bedürfnisse anderer Verkehrspartner auf der Strasse und Bedürfnisse der einheimischen Kollegen. Wer sich als Chauffeur beruflich hauptsächlich in der Schweiz bewegt muss sich an Bedürfnisse anpassen
können. Er arbeitet jeden Tag in der Öffentlichkeit, umgeben von vielen anderen Personen. Die Umgebung darf eine gewisse Zuverlässigkeit und Verständnis erwarten.
Europäische Politik
Auch in Europa werden die Arbeitsbedingungen regelmässig in Frage gestellt. Im den letzten zwei Jahren wurden Sozialvorschriften angepasst. Allerdings besteht in Europa ein sehr grosses soziales Gefälle. Während die westlichen Staaten wie beispielsweise Frankreich, Belgien, Holland und Deutschland Verbesserungen befürworten, sehen die östlichen Staaten Anhebungen der Sozialnormen als Wettbewerbsnachteil. Die Diskussionen in der europäischen Politik haben gezeigt, dass Westeuropa ähnliche Probleme wie wir in der Schweiz haben, doch Osteuropa nicht mitzieht. Länder wie Polen suchen ihre Chauffeure inzwischen in der Ukraine oder Russland, sind aber der Ansicht, dass sie dadurch ihren Wirtschaftsstandort stärken.
Chauffeure aus Afrika
Mit der Pandemie und dem Brexit wurde das Thema Chauffeurmangel intensiver in den Medien diskutiert. Da Chauffeure auch in Europa eher knapp werden, zielen einzelne Transportunternehmer bereits auf neu zu erschliessenden Quellen von Chauffeuren, die noch billiger sind und von noch weiter her kommen. Im Fokus stehen Afrika, Ukraine, Russland, China. Wir möchten dies der Schweiz ersparen.
Chauffeurmangel
Wir haben in der Schweiz ein strukturelles Problem, das sich über die letzten 3 Jahrzehnte entwickelt hat. Seit 1980 sind in der Schweiz 50'000 Lastwagen immatrikuliert und im Einsatz. Die Zahl hat sich während 40 Jahren kaum verändert, obwohl heute mit Lastwagen ein Mehrfaches an Gütern transportiert wird. Vor 1990 sind viele Chauffeure aus der Landwirtschaft oder anderen Berufen gekommen und wurden in der Armee ausgebildet. In den 90er-Jahren sind mit der Öffnung von Osteuropa Schweizer Betriebe in internationalen Transport unter Druck geraten. In dieser Zeit hat die Schweiz Arbeit für rund 5000 Lastwagen verloren. Einige Chauffeure haben die Branche verlassen, die Mehrheit hat eine Stelle im Inlandtransport gefunden. Es brauchte bedeutend weniger Nachwuchs.
Nach dem Jahr 2000 wurden die Gesamtgewichte von 28t auf 40t erhöht, zudem mussten aufgrund der LSVA Leerkilometer vermieden werden. Folglich ist die Transportbranche effizienter geworden. Der Bedarf an Neueinsteigern war erneut sehr tief. Ausserdem sind in Folge der EU-Osterweiterungen die Transportpreise zusätzlich gesunken, so dass auch Import- und Exportfuhren noch stärker an
ausländische Speditionen vergeben wurden. Auch ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer von Kabotagetransporten angestiegen ist. Seit rund 10 Jahren hat sich aber kein derartiger externer Einfluss mehr ergeben. In Folge werden fehlende Chauffeure im Ausland rekrutiert. Aufgrund des riesigen Lohngefälles in Europa kommen Chauffeure heute vermehrt aus Rumänien, Bulgarien, Ungarn und der Slowakei. Die Branche ist nicht gewohnt, selbst genügend Nachwuchs auszubilden, da in den letzten Jahren immer billig eingekauft werden konnte.
Lohndiskussion, Mindestlohn
Unter Fr. 5000.- Monatslohn brutto (x13) wird es schwierig als Chauffeur in der Schweiz vom Lohn zu leben. Aufgrund der Arbeitszeiten und Einsätze ist ein Auto notwendig. Grundsätzlich werden im Durchschnitt 200 Stunden pro Monat gearbeitet, es sind auch Spitzen bis zu 250 Stunden pro Monat zulässig. Ein Chauffeur trägt gegenüber dem Gesetzgeber und Verkehrspartnern eine erhöhte Verantwortung welche nur mit einem geordneten Privatleben und Zuverlässigkeit zu erfüllen ist.
Chauffeure aus Osteuropa werden in der Schweiz für Fr. 3500.- bis 4500.- Monatslohn angestellt. Ein geordnetes Leben ist in der Schweiz mit diesem Lohn nicht möglich. Wir müssen das Lohndumping durch Chauffeure aus Osteuropa bekämpfen.
Demografie
Das Durchschnittsalter jetziger Chauffeure liegt bei 52 Altersjahren. Viele werden in den nächsten Jahren pensioniert. Viele sind pensioniert und haben aufgrund der Bedürfnisse ihres Arbeitgebers weitergearbeitet. Zudem wandern nach wie vor viele in andere Berufe ab. Der Beruf muss wieder interessant für einheimische Personen werden, da ansonsten noch stärker im fernen Ausland rekrutiert werden muss.
In den letzten Jahrzehnten wurden sehr wenige junge Chauffeure ausgebildet, der Nachwuchs kommt mehrheitlich mit 25-40 Altersjahren aus dem Ausland.
Zweiklassengesellschaft
Es bestehen im Strassentransport derzeit zwei Gruppen Chauffeure. Die einen sind einheimisch, haben einen Schweizer Pass oder sind vor längerer Zeit eingewandert. Sie sind hier aufgewachsen oder haben sich als Einwanderer sehr gut integriert. Sie sind meist angemessen bezahlt und kennen die Bedürfnisse ihres Umfelds bei der Arbeit.
Die zweite Gruppe beschränkt ihr Verhältnis zu Schweiz auf die Arbeit. Sie kennen das Strassenverkehrsgesetz, sie kennen die Bedürfnisse ihrer Kunden und Arbeitgeber. Der Lohn ist Fr. 1500.- bis Fr. 2000.- tiefer. Sie versuchen in der Schweiz möglichst kein Geld auszugeben, da alles zu teuer ist. Ihr Lebensmittelpunkt ist bei der Familie weit weg von hier. Sie können und wollen sich hier nicht integrieren. Sie wohnen in der Schweiz in Lastwagenkabinen, mehrfach genutzten Zimmern oder Containerunterkünften. Aufgrund von Grenzgängerregelungen müssten sie mindestens jedes Wochenende nach Hause zur Familie heimkehren, was sie aber aufgrund der grossen Entfernungen nicht machen. Die Verpflegung in der Schweiz erfolgt grösstenteils aus ihren Heimatländern.
Zwischen diesen Gruppen findet nahezu keine Kommunikation statt. Beide Gruppen misstrauen sich. Die einen haben Angst um ihren Job aufgrund der Lohdifferenzen und die anderen sehen sich lediglich als unerwünschte und geduldete Fremdarbeiter.
Initiativtext
Die Bundesverfassung1 wird wie folgt geändert:
Art. 102a Chauffeusen und Chauffeure und Logistik
1 Zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit Logistikdienstleistungen sorgt der Bund für eine genügende Anzahl angemessen ausgebildeter Chauffeusen und Chauffeure.
2 Chauffeusen und Chauffeure, die innerhalb der Schweiz Transporte durchführen, müssen in der Schweiz oder allenfalls im grenznahen Ausland leben und wohnen, damit ein Arbeitsweg von weniger als einer Stunde Dauer sichergestellt ist.
3 Die Arbeitsbedingungen und die Entlöhnung von Chauffeusen und Chauffeuren müssen vergleichbar mit jenen in anderen handwerklichen Berufen sein. Der Bundesrat legt mittels Verordnung einen verbindlichen Mindestlohn fest.
4 Transporte innerhalb der Schweiz mit Fahrzeugen, die im Ausland immatrikuliert sind (Kabotage), sind verboten. Verstösse gegen das Kabotageverbot werden von Bundesbehörden verfolgt. Der Bund hat das Recht, betriebliche Unterlagen, Transportdokumente und Abrechnungen einzusehen sowie Kontrollen vor Ort bei Versendern, Transporteuren, Empfängern und von Fahrzeugen auf der Strasse durchzuführen.
5 Die Aus- und Weiterbildung ist an die Bedürfnisse der Wirtschaft, der Bevölkerung und der Chauffeusen und Chauffeure selbst angepasst. Der Schwerpunkt der Aus- und Weiterbildung liegt auf effizienter Arbeitsweise, Verkehrssicherheit, Umweltschutz, schonendem Umgang mit Ressourcen und Verantwortungsbewusstsein. Die Aus- und Weiterbildung findet in der Schweiz statt. Sie wird über Einnahmen aus der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe finanziert.
6 Der Bund erhebt statistische Daten, um die Umsetzung dieser Vorschriften zu prüfen.
7 Er erlässt Gesetze und Verordnungen zur Anstellung, zu den Arbeitsbedingungen und zur Aus- und Weiterbildung der Chauffeusen und Chauffeure sowie zur Umsetzung des Kabotageverbotes.
1 SR 101
Diese Initiative wurde lanciert von folgenden Komitee-Mitgliedern:
Bechtiger Ruedi
Boschung Guido
Gilgen Christian
Hadorn Marc
Inauen Franz
Mesic Elvedin
Müller Daniel
Oberson François
Odermatt Markus
Perrenoud Eric
Perrenoud Marcel
Piras David
Pulfer Rudolf
Simone Frédéric
Trey Bernd
Trüssel Franz
Weyermann Iwan
Medien
Nach dem Ja zur Pflege-Initiative will ein weiterer Berufsstand bessere Arbeitsbedingungen in der Verfassung verankern.
Les Routiers Suisses, der Berufsverband der Chauffeure, kämpft mit einer Initiative für Versorgungssicherheit, eine bessere Entlöhnung und gegen Lohndumping mit ausländischen Fahrern.
Der Berufsverband der Chauffeure kann nun Unterschriften für ihre Initiative sammeln. Die Bundeskanzlei hat ihr OK gegeben.