«Wahrung der schweizerischen Neutralität» (Neutralitätsinitiative)
(Eidgenösische Volksinitiative)
Die Neutralität soll in der Bundesverfassung verankert werden. Im Artikel 54 soll festgehalten werden, dass die Schweiz keinem Militär- oder Verteidigungsbündnis beitreten darf, es sei denn, die Schweiz würde direkt militärisch angegriffen. Trainings mit ausländischen Partnern blieben laut Komitee aber zulässig, und friedensfördernde Einsätze der Armee könnte das Parlament weiterhin bewilligen. Untersagt würden der Schweiz «nichtmilitärische Zwangsmassnahmen» gegen Krieg führende Staaten. Damit gemeint sind etwa Sanktionen, wie sie die Schweiz aktuell gegen Russland mitträgt.
Die wichtigsten Argumente, ...
Geschichte der Schweizer Neutralität
Die Schweiz hat seit einem halben Jahrtausend eine erstaunliche Fähigkeit entwickelt, im Schatten rivalisierender Grossmächte eine Nische für ihr nationales Dasein zu finden. Die Neutralität unseres Kleinstaates hat sehr wenig mit Ideologie oder mit Idealismus zu tun, aber sehr viel mit der Lebenswirklichkeit. Wenn sich der grössere Bruder auf dem Pausenplatz mit einem Gleichaltrigen prügelt, wird sich der kleinere Bub oder die Schwester mit geringeren Körperkräften zum eigenen Vorteil von solchen Auseinandersetzungen fernhalten. Sie würden sich bei einer Einmischung im besten Fall eine blutige Nase holen.
Neutralität ist Friedenspolitik
Alle aktuellen Umfragen beweisen es: Über 90 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer beurteilen unsere Neutralität positiv und empfinden sie als ausgesprochen identitätsstiftend für unseren Kleinstaat. Die Neutralität bewahrt uns vor der Hingabe an unkontrollierte Emotionen, vor unüberlegter Kriegslust und vor dem Nichternstnehmen von Grausamkeit und Gewalt.
Sie ist mehr als nur die Nichtteilnahme an Konflikten. Sie bedeutet den freiwilligen Verzicht auf äussere Machtpolitik. So gesehen hat die schweizerische Neutralität durchaus den positiven Gehalt grundsätzlicher Friedenspolitik.
Differenziell – Aktiv – Kooperativ – Flexibel
Die Schweiz verfällt heute zunehmend einer Politik der Phrasen, die einfach das wiederholt, was international gerade üblich ist. Es ist dies eine Politik des blossen Mitschwimmens im Chor der Unwahrhaftigkeit, der Heuchelei, der Sündenbockmentalität und der selbstgefälligen Unterscheidung zwischen "Guten" und "Bösen". Damit stossen wir andere Länder vor den Kopf, verärgern Handelspartner und schaffen sogar Feindschaften.
Neuerdings kommt – von Ignazio Cassis (FDP) erfunden – die "kooperative Neutralität" mit bedingungsloser Übernahme von EU-Sanktionen hinzu. Demnächst wird wohl auch noch die "flexible Neutralität" entdeckt.
Die Neutralitätsmüdigkeit, die in der Geschichte zum Wohl des Landes immer wieder eingedämmt werden konnte, ist mittlerweile in der offiziellen Schweizer Politik angekommen.
Historisch bewährtes Erfolgsmodell
Angesichts der historischen Erfahrung wird niemand ernstlich bestreiten, dass es sich bei der schweizerischen Neutralität um ein Erfolgsmodell handelt. Der Bund der Eidgenossen hätte die ersten Anfänge kaum überstanden, wenn die Orte nicht ein gegenseitiges "Stillesitzen" und Vermitteln im Krisenfall beschlossen hätten. Später hätte unser konfessionell, ethnisch und kulturell gespaltenes Land ohne Neutralität angesichts von Religionskriegen und Zusammenschlüssen unserer Nachbarländer zu grossen Nationalstaaten nicht überleben können.
Die Welt braucht die Schweizer Neutralität
Neutralität heisst, dass man keine Kriege anfängt und keine Kriege - auch keine Wirtschaftskriege - mitmacht, es sei denn, man werde selbst angegriffen. Neutralität bedeutet Nichtteilnahme an militärischen und politischen Bündnissen, die unser Land in fremde Konflikte hineinziehen können. Eine Preisgabe der "uneingeschränkten", "absoluten" Neutralität würde die Schweiz mitten in den Strudel von Konflikten und Auseinandersetzungen stürzen. Diese staatsmännische Weisheit fehlt heute im Bundeshaus weitgehend.
Neutralität erfordert Kraft und Festigkeit. Mitmachen ist bequemer. Der neutrale Staat misstraut dem schnellen Urteil, weigert sich, die Welt in ein einfaches Gut und Böse einzuteilen. Wohlverstanden: Neutralität verpflichtet die Schweizer nicht, den Mund zu halten, moralisch gleichgültig zu sein angesichts des Unrechts eines Angriffskriegs. Aber sie verpflichtet den Staat, den Bundesrat und auch die Bundesversammlung zu Demut und Zurückhaltung.
Die Schweizer Neutralität ist der weisse Fleck auf der Welt, ein allseits anerkannter Ort, an dem die Kriegs- und Konfliktparteien sich ohne Waffen begegnen und miteinander reden können. Solange es eine neutrale Schweiz gibt, hat der Frieden eine Chance.
Die Schweiz braucht ihre Neutralität – die Welt braucht eine neutrale Schweiz.
Spezielle Aspekte der Schweizer Neutralität
In den ersten drei Jahrhunderten stand die Schweizer Neutralität vor allem im Dienste der Innenpolitik, in den letzten zwei Jahrhunderten dagegen im Dienste der Aussenpolitik. Die Schweiz hat die Neutralität nicht erfunden, ihr aber in verschiedener Hinsicht ein ganz eigenes Gepräge gegeben. Ihr Neutralitätsstatus unterscheidet sich grundlegend von der Neutralität anderer Staaten. Die schweizerische Neutralität ist dauernd; seit 1815 ist staatsrechtlich von der "neutralité perpétuelle" die Rede. Die Tradition der schweizerischen Neutralität kann ihre Wirkung bei den Nationen nur behalten, wenn sie ununterbrochen fortwirkt und bei jedem sich bietenden Anlass neu und unversehrt in Erscheinung tritt. Die schweizerische Neutralität ist bündnisfrei; weder Defensiv- noch Offensivbündnisse mit anderen Staaten sind der neutralen Schweiz gestattet.
Neue Sinngebung für die Neutralität
Der schweizerischen Neutralität seit ihren Ursprüngen ein neuer Sinn zugewachsen: Die vielgenannte Globalisierung hat zu einer Schrumpfung der Welt geführt, so dass jeder Staat seine Politik nicht mehr nur im Verhältnis zu seinen Nachbarn, sondern zu allen Ländern dieser Welt bestimmen muss. Unsere grundsätzliche Friedenspolitik nebst weltweiter Handelspartnerschaft und Guter Diensten bietet dazu eine ausgezeichnete Grundlage. Wenn wir unserer Neutralität heute diesen weiteren, zeitgemässen Sinn vermitteln, so wird sie noch lange gerechtfertigt bleiben.
Neutralität garantiert die Meinungsfreiheit
Unsere Neutralität ist nicht Selbstzweck oder blosse Gewohnheit. Sie sichert uns vielmehr die Unabhängigkeit - neben der politischen vor allem die geistige und moralische Freiheit des selbständigen Urteils. Unser Staat ist keine Institution der Moral, sondern der Rechtsschöpfung und Rechtswahrung. Er ist ein reiner Zweckverband und unter keinen Umständen ein moralischer Vormund, weder der Bürger noch der Völkergemeinschaft. Ideale zu bilden und zu verwirklichen ist Sache der Menschen, der Familien, der Kirchen, der Vereine, aber niemals des Staates. Die politische Neutralität hat nicht zuletzt den Sinn, die Unabhängigkeit unseres Urteils zu gewährleisten.
Initiativtext
Die Bundesverfassung1 wird wie folgt geändert:
Art. 54a2 Schweizerische Neutralität
1 Die Schweiz ist neutral. Ihre Neutralität ist immerwährend und bewaffnet.
2 Die Schweiz tritt keinem Militär- oder Verteidigungsbündnis bei. Vorbehalten ist eine Zusammenarbeit mit solchen Bündnissen für den Fall eines direkten militärischen Angriffs auf die Schweiz oder für den Fall von Handlungen zur Vorbereitung eines solchen Angriffs.
3 Die Schweiz beteiligt sich nicht an militärischen Auseinandersetzungen zwischen Drittstaaten und trifft auch keine nichtmilitärischen Zwangsmassnahmen gegen kriegführende Staaten. Vorbehalten sind Verpflichtungen gegenüber der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) sowie Massnahmen zur Verhinderung der Umgehung von nichtmilitärischen Zwangsmassnahmen anderer Staaten.
4 Die Schweiz nutzt ihre immerwährende Neutralität für die Verhinderung und Lösung von Konflikten und steht als Vermittlerin zur Verfügung.
1 SR 101
2 Die endgültige Nummerierung dieses Artikels wird nach der Volksabstimmung von der Bundeskanzlei festgelegt; dabei stimmt diese die Nummerierung ab auf die anderen geltenden Bestimmungen der Bundesverfassung.
Veröffentlicht im Bundesblatt am 08.11.2022
Ablauf der Frist für die Unterschriftensammlung: 08.05.2024
Diese Initiative wurde lanciert von folgenden Komitee-Mitgliedern (nach Alphabet Nachname):
Aeschi Thomas
Unternehmensber
ater,
Nationalrat ZG,
SVPFraktionspräsident
Bieri Hans
Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung Industrie und Landwirtschaft (SVIL), dipl.Arch.ETH/SIA, Raumplaner
Bignasca Danzi Antonella
Unternehmerin
Blatter Joseph
Ehem. Präsident FIFA
Buob Matthias
Dr. oec. HSG, Unternehmer
Eckstein Markus
Autor
Eleganti Emanuel
Dipl. Kaufmann
Ender Josef
Informatikunternehmer, Präsident Aktionsbündnis Urkantone
Faber Marc
Börsenexperte, Autor
Gantner Alex
Unternehmer, Kantonsrat ZH
Gartenmann Stephanie
Studentin Rechtswissenschaften
Haller Rolf
Leiter Technik und Produktion, Grossrat AG
Kämfper Jürg
Banquier, lic. iur et oec.
Landmann Valentin
Rechtsanwalt Dr. iur., VRP Landmann Rechtsanwälte AG, Kantonsrat ZH
Millius Stefan
Freischaffender Autor
Minder Thomas
Ständerat (SVP) Neuhausen SH
Mrakic Mihajlo
Student Elektrotechnik und Informationstechnologie ETH Zürich
Page Pierre-André
Landwirt, Nationalrat FR
Quadri Lorenzo
Chefredaktor "Mattino della domenica", Nationalrat TI, Stadtrat von Lugano
Rietiker Stephan
Arzt, Unternehmer, Präsident Pro Schweiz
Roca René
Gymnasiallehrer und Historiker, Alt Gemeinderat, Alt Vizeammann
Ruch Peter
Pfarrer
Sager-Koenig Florence
Anwältin, Vorstandsmitglied Pro Schweiz
Vogelsanger David
Dr. phil., Botschafter a.D.,
ehemaliger Delegierter IKRK
Vogt Hans-Ueli
Prof. Dr. iur., Professor an der Universität Zürich, Alt Nationalrat ZHProf. Dr. iur., Professor an der Universität Zürich, Alt Nationalrat ZH
Wüthrich Marianne
Dr. iur., BerufsschullehrerinDr. iur., Berufsschullehrerin
Diese Initiative wird von folgenden Organisationen unterstützt:
Medien
Wenige Stunden, nachdem der Verein Pro Schweiz gegründet wurde, hat er die Volksinitiative «Wahrung der schweizerischen Neutralität (Neutralitätsinitiative)» lanciert.
Alt Bundesrat Dr. Christoph Blocher stellte in Bern das Anliegen und den Text der Initiative vor.
Die Neutralitätsinitiative, die der Schweiz Verteidigungsbündnisse und die Teilnahme an Sanktionen weitgehend untersagen will, ist am Start. Die Initiantinnen und Initianten haben bis zum 8. Mai 2024 Zeit, die nötigen 100'000 Unterschriften zu sammeln. Die wichtigsten Fragen und Antworten.